Ausscheiden mit Erreichen des 65. Lebensjahr, Zulässige Befristung zum Renteneintritt – Urteil 21.12.2022

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 21. Dezember 2022, Az. 7 AZR 489/21

Durch Klauseln wie: „Ausscheiden mit Erreichen des 65. Lebensjahr“ oder „mit Bewilligung von Altersruhegeld“ können Arbeitsverhältnisses zulässig befristet werden und führen abweichend vom tatsächlichen Erreichen des 65. Lebensjahrs zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses im Zeitpunkt des Erreichens der gesetzlichen Rentenaltersgrenze.

Der Fall:

Der im Januar 1954 geborene Kläger war seit August 1993 als Verkaufscenterleiter beschäftigt. Im September 2019 erreichte er die für die Regelaltersrente maßgebliche Altersgrenze von 65 Jahren und acht Monaten. Sein Arbeitgeber teilte ihm daraufhin mit, dass das Arbeitsverhältnis zum 30.09.2019 durch das Erreichen des Rentenalters enden werde. Der Arbeitsvertrag des Klägers enthielt in der Hinsicht folgende Formulierung:

Das Arbeitsverhältnis endet spätestens mit Ablauf desjenigen Monats, in welchem Sie Altersruhegeld bewilligt erhalten oder sie das 65. Lebensjahr vollendet haben“

Der Verkaufscenterleiter erhob daraufhin Klage beim zuständigen Arbeitsgericht und begehrte die Feststellung, dass das Arbeitsverhältnis nicht zum 30.09.2019 geendet hat. Er stützte sein Vorbringen dabei auf die Tatsache, dass er zum Zeitpunkt des Erreichens der Regelaltersrente die maßgebliche Altersgrenze von 65 Jahren bereits überschritten hatte. Das Arbeitsverhältnis habe sich deshalb gem. § 15 Abs. 5 TzBfG auf unbestimmte Zeit verlängert.

Die Entscheidung:

Das Bundesarbeitsgericht hat die Klage vollumfänglich abgewiesen. Es entschied, dass das Arbeitsverhältnis des Klägers wirksam im Rahmen der Befristung zum 30.09.2019 geendet habe. Das Überschreiten der vertraglichen Altersgrenze von 65 Jahren führe nicht zu einer Verlängerung des Arbeitsverhältnisses auf unbestimmte Zeit. Nach Auffassung des Gerichts sei die entsprechende Vertragsklausel dahingehend auszulegen, dass für das Ende der Befristung das Erreichen der Regelaltersgrenze nicht das vertraglich vereinbarte Alter maßgeblich sei.

Zu berücksichtigen ist insoweit, dass im Zeitpunkt des Vertragsschlusses der Parteien die Regelaltersgrenze bei 65 Jahren gelegen hatte. Die zwischenzeitliche gesetzliche Anhebung des Rentenalters auf 65 Jahre und 8 Monate habe der Arbeitgeber nicht schon vorhersehend berücksichtigen können. Die Klausel sei deshalb nach dem eigentlichen Willen der Vertragsparteien auszulegen. Das BAG ist in seiner Entscheidung deshalb davon ausgegangen, dass die Formulierung „mit Vollendung des 65. Lebensjahres“ oder auch „im Zeitpunkt der Bewilligung von Altersruhegeld“ Bezug zur aktuellen Regelaltersgrenze nehme. Im Falle der gesetzlichen Änderung dieser Grenze sei deshalb davon auszugehen, dass die Parteien eine entsprechende Anpassung des Befristungsende beabsichtigt haben. In diese Überlegung spielt wohl auch mit ein, dass ältere Arbeitnehmer sonst Gefahr laufen würden, mehrere Monate vor Renteneintritt arbeitslos zu werden oder sich für die Übergangszeit einen neuen Job suchen müssten. Auf der anderen Seite hat das BAG in früheren Urteilen bereits entschieden, dass die Befristung von Arbeitsverhältnissen bis zum Renteneintritt grundsätzlich zulässig ist und keine Altersdiskriminierung darstellt (BAG, Urteil vom 09.12.2015, Az. 7 AZR 68/14).

Fazit:

Eine Vertragsklausel, durch die das Arbeitsverhältnis mit Vollendung eines rentennahen Lebensjahrs beendet werden soll, führt nicht zwingend zu einer Beendigung im entsprechenden Zeitpunkt. Maßgeblich ist insoweit, ob die vertragliche Regelung einen Bezug zum gesetzlichen Renteneintritt des Arbeitnehmers erkennen lässt.

ACHTUNG: Entspricht das im Vertrag angegebene Renteneintrittsalter zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses nicht dem gesetzlichen Renteneintrittsalters, muss die Klausel wohl als überraschend angesehen werden und ist möglicherweise bereits nach § 305c BGB unwirksam. Die Folge wäre dann ein unbefristetes Arbeitsverhältnis. Dies gilt allerdings auch nur dann, wenn die Befristung nicht individuell vereinbart worden ist.

Dr. Dietmar Olsen. Fachanwalt für Arbeitsrecht

Kanzlei Dr. Olsen

Dr. Dietmar Olsen
Fachanwalt Für Arbeitsrecht

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