Schadensersatz wegen verspäteter Zielvorgabe – LAG Köln 06.02.2024

LAG Köln, Urteil vom 6.2.2024 – 4 Sa 390/23

Hintergrund:

Inzwischen ist es vermehrt Praxis, dass Arbeitnehmer neben ihrer festen Vergütung eine variable Vergütung erhalten. Diese wird anhand einer Zielvereinbarung oder Zielvorgabe bemessen. Diese Zielvorgaben oder Zielvereinbarungen haben eine Anreizfunktion. Sie sollten den Mitarbeiter motivieren, diese Ziele zu erreichen und so eine zusätzliche variable Vergütung zu erhalten.

Doch was geschieht, wenn der Arbeitgeber die (in diesem Fall) Zielvorgabe erst im September des laufenden Geschäftsjahres an den Mitarbeiter weitergibt? Über diesen Sachverhalt hat jüngst das LAG Köln entschieden.

Der Fall:

Die Parteien streiten über Schadensersatz aufgrund einer verspätet erfolgten Zielvorgabe für das Jahr 2019. Der Kläger war von Juli 2016 bis November 2019 bei der Beklagten in einer Position mit Führungsverantwortung tätig. Zur Vergütung war arbeitsvertraglich sinngemäß Folgendes vereinbart:

„Der Arbeitnehmer erhält für seine Tätigkeit ein Jahreszielgehalt in Höhe von € 95.000 bei 100% Zielerreichung. Das Zielgehalt setzt sich aus einem Bruttofixgehalt in Höhe von € 66.500 und einer variablen Vergütung in Höhe von brutto € 28.500 bei 100% Zielerreichung zusammen. Die Ziele werden zunächst zeitnah nach Antritt der Beschäftigung und im Folgenden zu Beginn eines jeden Kalenderjahres vom Vorgesetzten definiert die Zieldefinition diesem Arbeitsvertrag spätestens 4 Wochen nach Arbeitsaufnahme als Anlage hinzugefügt. Eine Unter- oder Übererfüllung der Ziele wird anteilig berechnet. (…). Die Zahlung der variablen Vergütung erfolgt jährlich nach Abschluss eines Geschäftsjahres, spätestens im Februar des Folgejahres.“

Das Geschäftsjahr der Beklagten entsprach dabei dem Kalenderjahr. Im Jahr 2019 erfolgte eine Betriebsvereinbarung zur variablen Vergütung, in der festgehalten wurde, dass die Mitarbeiter die zu besprechende Zielvorgabe Anfang März des jeweiligen Kalenderjahres erhalten wird und sich das Ziel aus Unternehmenszielen und individuellen Zielen zusammensetzt.

Ende September 2019 teilte die Beklagte den Mitarbeitern, auch dem Kläger, die Zielvorgabe für die variable Vergütung mit. Der Kläger kündigte sein Arbeitsverhältnis zum 30.11.2019 und erhielt eine variable Vergütung in Höhe von circa € 15.600,00 brutto. Er klagte daraufhin auf Zahlung weiterer € 16.000,00 brutto mit der Begründung, die Zielvorgabe sei zu spät und zudem nicht korrekt erfolgt.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen; dem Kläger stehe die eingeklagte variable Vergütung nicht zu.

Die Entscheidung:

Der Kläger hat gegen das erstinstanzliche Urteil Berufung eingelegt, die vor dem LAG Köln erfolgreich war. Das LAG entschied, dass der Kläger Anspruch auf Schadensersatz in der begehrten Höhe von knapp € 16.000,00 brutto hat. Das LAG ist der Ansicht, dass eine Zielvorgabe, die so spät im maßgeblichen Geschäftsjahr erfolgt, dass sie ihre Anreizfunktion nicht mehr erfüllen kann, so zu behandeln sei, als hätte es überhaupt keine Zielvorgabe gegeben. Ein so später Zeitpunkt ist anzunehmen, wenn bereits ¾ des Geschäftsjahres abgelaufen ist. Die Beklagte sei verpflichtet gewesen, dem Mitarbeiter bis zum 01.03.2019 eine entsprechende Zielvorgabe zu machen. Das Bundesarbeitsgericht hat bereits vor Jahren entschieden, dass bei einer fehlenden Zielvereinbarung eine variable Vergütung im Umfang von 100% zu zahlen ist. Der Mitarbeiter wird demnach so gestellt, als hätte er seine Ziele vollständig erreicht. Dass die unterlassene Zielvorgabe auch unternehmensbezogene Ziele umfasst, schließt die Anreizfunktion nicht per se aus.

Dr. Dietmar Olsen. Fachanwalt für Arbeitsrecht

Kanzlei Dr. Olsen

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